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Bei Bremen wohnte zu Luthers Zeit eine Hexe, welche berühmt war, weil sie durch Kräutertränke wahre Wunderkuren verrichtete. Reiche und Arme, Junge und Alte vertrauten sich ihr an, selbst die Ärzte empfahlen sie mit Vertrauen sol-chen Kranken, welchen sie nicht helfen konnten, ja, sie begaben sich sogar selber in die Kur des alten Weibes.
Der regierende Bürgermeister lag einst schwer krank, an seinem Lager standen drei Ärzte der Stadt. Der berühmte Ratsarzt schüttelte den Kopf, der Bürgerarzt seufzte, aber der jüngste, der Armendoktor, riet, die Kräutersammlerin kommen zu lassen, denn täglich erkenne er die heilsame Wirkung ihrer an sich unschädli¬chen Mittel.
Die ersteren, als sie die Angehörigen des hohen Hauses auf der Seite des Armen-arztes sahen, verließen empört das Haus. Man schickte sogleich einen Diener zu der Alten, der aber kehrte mit dem Be-scheid zurück, sie könne dem ungerechten Richter, der sie durch sein Urteil ins Elend gestürzt habe, keine Hilfe bringen. Nun ging die Tochter des Kranken selbst zu der Alten, und ihrem Flehen gelang es, dieselbe zu erweichen, dass sie mitging, dem Bürgermeister von ihrem Trank reichte mit der Weisung, dem Kranken stündlich ein wenig davon zu geben, und am folgenden Tage neue Arznei zu holen.
Als der Ratsarzt dann den Diener von der Alten kommen sah, erfuhr er auf sein Be-fragen, dass der Trank seinem Herrn gute Wirkung getan habe. Bleich vor Ärger, aber freundlich bat er den Diener, ihm das Gebräu einmal zur Untersu¬chung zu geben, da er das Mittel doch auch kennen lernen möchte. Der Diener ließ sich bereden, und der Ratsarzt ging ins Nebenzimmer, aus wel¬chem er gleich zurückkehrte und mit zitternder Hand dem Diener das Gefäß reichte.
Der Bürgermeister, bereits wieder voller Hoffnung, nahm vertrauensvoll den Trank, bald aber stellte sich die Krankheit mit heftigen Schmerzen wieder ein, welcher er gegen Abend erlag. Es war offenbar, dass er das Opfer eines schändli¬chen Verbrechens geworden war.
Sofort wurde die Kräutersammlerin als verdächtig, den Kranken aus Rache ver-giftet zu haben, ins Gefängnis geworfen. Die Folter brachte sie zum Geständnis, und als Giftmischerin und Hexe wurde sie zum Feuertode verurteilt. Von denen, die ihr Hilfe verdankten, wurde die Hexe mit Schmähungen überhäuft, als man sie zum Richtplatz schleppte.
Auf dem Scheiterhaufen wurde sie vom Geistlichen aufgefordert, ihre Schuld durch offenes Geständnis zu vermindern, sie aber betete“Herr vergib ihnen, sie wis-sen nicht, was sie tun!“ und starb in den Flammen. Am Tage darauf fand man den berühmten Ratsarzt in seinem Schlafzimmer erhängt. Niemand sprach es aus, was er dachte, aber jeder dachte sein Teil. Der alte Diener starb vor Gram.