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Die “Deutsche Bibliothek”.
Spätestens seit 1991 besitzt auch Deutschland seine Nationalbibliothek unter dem Titel “Die deutsche Bibliothek”,doch residiert sie an zwei Orten.Daran ist die deutsche Teilung schuld: Als die Mauer fiel,gab es in Deutschland zwei Bibliotheken,die beide die Pflicht hatten, die deutschsprachige Buchproduktion zu sammeln, und beide das Recht, von jeder Neuerscheinung ein Pflichtexemplar einzuziehen.Was der 1947 eingerichteten “Deutschen Bibliothek” in Frankfurt am Main an Alter und Würde gegenüber der 1912 gegründeten “Deutschen Bücherei” in Leipzig fehlte,machte sie durch Umfang und Qualität ihrer Bestände wett,zu denen etwa eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten des deutschen Exils von 1933 bis 1945 gehört.
Der kürzlich fertiggestellte Neubau der Frankfurter Bibliothek und ein erheblicher Vorsprung in der elektronischen Datenverarbeitung waren die Argumente dafür,die Frankfurter Bibliothek für die Zukunft weiter auszubauen.
Wer von einer Bibliothek und ihren Benutzern spricht, denkt an Leser, die an langen Tischen sitzen, an hohe Regale und einen lichten Lesesaal.All das gibt es in dem neuen Bau natürlich auch.Aber die hier Lesenden und Arbeitenden,zu deren Wohlbefinden eine Cafeteria,ein Restaurant und eine idylische Gartenanlage beitragen, diese happy few, werden nur den kleinsten Teil der Benutzer der neuen Deutschen Bibliothek ausmachen, die Mehrzahl wird den Lesesaal vielleicht niemals betreten. Denn die Deutsche Bibliothek ist auch eine gigsntische Redaktion,die alle eingehenden oder von den Verlagen schon vorab angezeigten Bücher, Druckwerke, Tonträger etc. sogleich für die Titelaufnahme erschlieβt und als nationalbibliographische Daten den Bibliotheken,Verlagen und Forschern zur Verfügung stellt.Diese Bibliothek ist ein riesiges Dienstleistungsunternehmen, das an die zehn Millionen Titelaufnahmen jährlich verkauft.
Doch wie sehen die Aufgaben einer Nationalbibliothek in Zukunft aus?Was und wie soll man sammeln, wenn elektronische Datenträger an die Stelle des Buches,der Zeitschrift oder der Schallplatte treten?Und wozu noch sammeln,was so immateriell ist wie eine Internet-Publikation?Die Antwort liegt parat:Die Deutsche Bibliothek wird künftig auch Netzpublikationen sammeln.Sie wird das Flüchtige aufzuheben und dem Kurzlebigen Dauer zu verleihen suchen.Zu erhalten was billig im Netz publiziert wurde,wird jedoch teuer werden und enorme Speicherkapazitäten verlangen. Doch muβ man der Gefahr vorbeugen,daβ mit den schnell veraltenden elektronischen Systemen auch die jeweiligen Daten weggeworfen werden und so eine neue Form der Gedächtnislosigkeit entsteht.Was nicht im Katalog steht, ist auch nicht in der Welt.Das gilt nicht nur für die Buchbestände einer einzelnen Bibliothek, sondern auch für die eines ganzen Landes oder gar Kontinents.Ein elektronisches Katalognetz,vergleichbar dem “Eureka”-System, das sämtliche Universitätsbibliotheken der Vereinigten Staaten umfaβt, soll, so die Pläne der Deutschen Bibliothek, auch bald die deutschen Länder umspannen.Doch heute schon stellt die Adresse “Gabriel” im Internet das Tor zu insgesamt 34 europäischen Nationalbibliotheken dar. Der Weg zu einer neuen, virtuellen Gelehrtenrepublik Europa ist bereits beschritten.